Vorbilder

Jede Persönlichkeitsbildung, jede Art der Erziehung und Charakterprägung bedarf der Vorbilder, deren typisches Abbild sich in Teilen der Persönlichkeit , in der Mentalität des Individuums  zu repräsentieren pflegt. Vorbilder können Personen, aber auch Ideen, Wertsysteme, Sozialsysteme, Ideologien oder Menschen- und Weltbilder sein.

In der Kindheit waren meine Eltern sowie einige  Elemente des mich umgebenden  Milieus Vorbilder, Prägemuster meiner frühen Sozialisation. Religiöser Glaube und
Die Ausrichtung auf Kardinaltugenden internalisierten in dem Knaben Werte und Normen.

Zur Zeit der gymnasialen Oberstufe an einem humanistischen Gymnasium zeigte sich der Humanismus als Vorbild für die charakterliche Ausrichtung . Zwei Menschen, Ihre Denkweisen und Ideale, ihre Humanität und Spiritualität  prägten besonders meine Nachahmungsbereitschaft:

Hans Carossa
Albert Schweitzer
José Ortega y Gasset

Jeder war auf andere Art und Wirkung mein Vorbild:

Hans Carossa, der Arzt und Schriftsteller aus München prägte in mir mit seinen Schilderungen (Bücher und Essays) und Idealen des ärztlichen Ethos die Berufung zum Arztberuf aus. Der Entschluß, Medizin zu studieren, wurde idealtypisch durch Carossa organisiert.

Altbert Schweitzer, dem wir Schüler der Oberstufe in Basel bei einem seiner Heimataufenthalte begegnen durften, entflammte in mir den Idealismus des Arztberufes in abenteuerlicher Hingabe an die Aufgabe der ärztlichen Tätigkeit mit leidenschaftsentflammten Jünglingsherzen für das humanistische Ideal.

José Ortega y Gasset, den ich bei einer seiner Vortragsveranstaltungen im Hotel Bayerischer Hof in München kennen lernen durfte begeisterte mich durch seine Philosophie der Vitalität und seine wohl einzigartige menschliche Erscheinung. Er hatte ein Jagdessay verfasst, mit dem er meine damaligen stürmischen Jagdleidenschaften in reflektierende Reduktion auf die Mensch-Tier-Beziehung trieb.Ortega hat in mir die Grundlage zur Erkenntnis der Bedingung der Möglichkeit von Jagd sui generis als natürliches Phänomen  im Fortschreiten des Jagdschemas als kognitives Instrument des Geistes, als Denkschema im zur Kultur mutierten Menschen vorbereitet.

Immanuel Kant, Karl Jaspers, Ludger Honnefelder, um nur beispielhaft aufzuzählen, waren in meinen reiferen Jahren (Studium der Philosophie) Vorbilder akademischen und moralphilosophischen Denkens überhaupt. In den Naturwissenschaften orientierte ich mich an anderen Bezugsgrößen wie dem Begründer der sythetischen Theorie der Evolution: Ernst Mayer. In den Humanwissenschaften, hier an erster Stelle zu nennen die Neurowissenschaften, waren es Vertreter der Hirnforschung, z.B. Wolf Singer. Er überzeugte mich immer mit seiner Humor unterlegten gedanklichen Akkuratesse und der Schlichtheit seiner Wissenschaftlerpersönlichkeit.

Mit Paul Müller, meinem Doktorvater entwickelte ich eine Idee in kongenialer Synergie der wissenschaftlichen Hypothesen zur Natur des Menschen.  Das "Wesen" des Urmenschen in unserem Gehirn determiniert demnach kognitive Strategien im Sinne einer möglichen Handlungstheorie (vgl. Helmuth Plessners exzentrische Positionalität).

Ich schuf eine allegorische Figur, in der beide Entitäten zum Aufschein gelangen: Das menschliche Antlitz (von Paul Müller) mit der einen Seele in seiner Brust, die einer Ordnung in der Natur in den Ökosystemen sich verpflichtet betrachtet und die Kulturmenschheit repräsentiert. Das Triebhafte, die natürliche Anlage des Homo Sapiens Sapiens im Ausdruck des Wolfsgesichtes (in Andenken an Thomas Moore: Homo homini lupus), wird durch den Prädator Wolf, den Jäger schlechthin repräsentiert.

Das so von mir entworfene Bild zeigt beide Seelen in einer Brust und deutet an, dass das Jagdschema in unserem Gehirn strukturell in der Kulturmenschheit, in ihren Gehirnen verortet ist: Wir wissen, dass aus diesem Aspekt jüngerer Hirnforschung die Vorstellung von Determiniertheit versus Freiheit entdeckt worden ist, so sehr sich die Philosophie auch winden mag.
Liegt doch mit Immanuel Kant die Würde des Menschen in einer anderen Sphäre. Demgemäß ist der vermeintlich (sic!) kategoriale Unterschied zwischen Tier und Mensch nicht etwa eine Differenz zwischen Instinkt und Verstand (Geist). Unser Gehirn arbeitet hoch komplex über alle Arreale und ist zu extremen Formen von Interaktionen befähigt. Kognitive Immanenz ist selbst stärksten Affekten gegeben, nur merkt man das selten.