Überzeugungen

Wer im Geiste von Libertinage eine Lebensform favorisiert, die sich nur an der Befriedigung naturwüchsiger Triebe ausrichtet, der ist aus dem Aspekt von Kultiviertheit noch kein Mensch, wer sein Leben nur an moralisch-geistigen, an kulturellen Formen und Normen orientiert, der ist kein Mensch mehr. Mensch sein bedeutet wohl eher, ein gelingendes Leben zu führen, das sich an der Natur des Menschen ausrichtet, und das ist eine Gestalt der Natur-Kultur- Verschränkung.

Eine Verbindung dieser vitalen und mentalen Sphären kommt mit Lust und  mit der Hingabe an Triebe und Affekte im Bewusstsein der Fähigkeit, sie im Zaume halten zu können,  vielleicht am besten dort zum Ausdruck, wo Triebverzicht und Trieberfüllung miteinander kokettieren. Mit Max Scheler lässt sich sagen, dass beispielsweise die Erfüllung des Urtriebes Sexualität ( Jargon Scheler: Geschlechtsliebe) in der Überhöhung körperlicher Gefühle in geistiger Durchdringung von Ego und Alter Ego bei der Vereinigung im rauschartigen Dahinschweben der Körper  ein metaphysischer Raum erreichbar ist. Nichts ist so gewiß wie die soziale Insularität dieser kulturellen Höhe menschlicher Wahrnehmungsfähigkeit im Triebvollzug.
Was folgt daraus? Ich vermag die Qualität meines vitalen Lebens zu erhöhen, wenn ich mir der Bedingungen der Möglichkeit von Erlebensfähigkeit bewusst bin. Zugleich weiß ich das hohe Risiko des Misslingens allgegenwärtig. Also wird nur glücklich, wer seine Möglichkeiten in den Grenzen seines Könnens nutzt und ein Darüber- Hinaus zwar kennt, aber nicht vergeblich zu erlangen trachtet. Was für die Vitalsphäre gilt, das gilt ebenso für das Streben nach moralischer Persönlichkeit:
Du kannst nicht jederzeit ein moralischer Mensch sein; und das kann niemand von dir verlangen. Es genügt, wenn du weißt, dass du es sein solltest!